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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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8KB
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162 lines
| ~01 PHIN
R6S£AfZC~
~1 6~1 4
,~De~phine haben keine organisierte Arbeitneh-
merschaflt, kein Währungssystem, keine Form
von Bürokratie. . . ich sage Ihnen, sie sind ~ntelli-
genter als Menschen."
Als ich mir das Material für diesen Beitrag zusammenstellte,
fiel mir ein altes Videomagazin des Hamburger Medienladens
vom Januar 1981 in die Hände. Auf Seite vier wurde das
Projekt " i sternationale femi n i stische Videobri efe" vorgestel It
eine Art "Tagebuch der Frauenbewegung". Geplant war eine
"lockere Form des Austausches von Informationen und Nach-
richten unter Feministinnen'', bestehend aus dreißigminüti-
gen, ungeschnittenen Videobändern, die alle zwei Monate
ausgetauscht werden sollten. Mit diesen Videobriefen sollte
"ein starkes feministisches Nachrichtennetz" aufgebaut wer-
den. Aber das ist schon fast Geschichte, die zu wenig geschah.
Zu dieser Zeit entstanden überall in der Bundesrepublik
Videogruppen, die verschiedene Möglichkeiten alternativer
Videonutzung ausprobieren wollten und damit beinahe jede
Bürgerinitiative faszinieren konnten. Jedenfalls wurden man-
che Videozentren kaum mit dem Ansturm der Interessenten
fertig - vergaßen darüber bisweilen die eigene inhaltliche
Arbeit. Vom sogenannten "operativen Video" bis hin zu
diversen Vorstellungen über den Umgang mit dem "offenen
Kanal" im künftigen Kabelfernsehen ─ die Ansätze waren
ebenso reichhaltig wie widersprüchlich. Über alternative Com-
puternetze zu sprechen,.gilt dagegen immer noch als Verrat
am "emanzipierten Bewußtsein". Das liegt zum großem Teil
auch daran, daß von der Computerszene eine der Videoszene
vergleichbare inhaltliche und politische Arbeit bisher noch
nicht geleistet wurde.
Der Lehrbeauftragte am Fachbereich Informatik der Universi-
tät Hamburg, Otto Ulrich, vertrat kürzlich die These, daß die
"Computertechnik schon wegen ihrer formalen Eigenschaften
prinzipiell und logisch unversöhnlich einer fundamentalen
Entwicklung gegenüberstünde, die sich an einem ganzheitli-
chen und ökologisch geprägten Weltbild orientiert". Folgt man
dem, bleibt es "prinzipiell und logisch unversöhnlich", die
Idee der Videofrauen aufzugreifen und ein "starkes feministi-
sches Nachrichtennetz" mit Mikrocomputern und Akustikkopp-
lern zu fordern.
Über Frauen als "Dauertippsen" am Computer regt 'man' sich
nicht auf. Das hat System. Sind es wirklich nur die formalen
Eigenschaften des Computers, die eine gegen den Strich
gebürstete Computeranwendung unmöglich macht? Dahinter
steckt eher die politische Konzeptionslosigkeit der kleinen
und großen Generalstreiks, die als einzige Strategie nur noch
private Verweigerung und verbale Attacken kennt, in der das
Politische ins Psychologische abgeleitet und die politische
Konzeptionslosigkeit in individuelle Ohnmacht und private
Perspektivlosigkeit umschlägt
Die amerikanische Friedensbewegung hat schon längst be-
griffen, daß nichts dümmer und vor allem auch von den
Mächtigen erwünschter ist─als die Möglichkeit der Compu-
tertechnik stets der Gegenseite zu überlassen. Klaus Modick
der sich auch vorstellen kann, daß die Literatur, ähnlich wie
Kunst, Film und Musi,k Einzug in die Computertechnik halten
wird, berichtete in der Zeitschrift "medium" über Mitglieder
Computer,
Angst
und
Herrschaft
oder:
Mit dem Computer gegen Volkszählung
und maschinenlesbaren Personalausweis
der "Computer Professionals United" (CPU), die eine Organi-
sation gründeten, mit deren Rechnernetzwerk, dem sogenann-
ten "Peace Net", auf gemeinsame Datenbanken zugegriffen
und Informationen schnell ausgetauscht werden können.
Wieso sollte nicht ein ähnliches Netz den Kritikern in der
Auseinandersetzung über die Entwicklungen in der Gen- und
Biotechnik eine Hilfe sein?
Die Problematik hat die gleiche Dimension wie die Atomener-
gie. Die Anwendung geotechnischer Verfahren in Industrie
Landwirtschaft Medizin und die schönfärbarisch als "Umwelt-
biologie" bezeichnete Nutzung werden gesellschaftliche Ent-
wicklungen nach sich ziehen, deren Folgen heute in keiner
Weise abzusehen sind. Dies alles entwickelt sich mit einer
von der Öffentlichkeit unkontrollierten Schnelligkeit. Während
in der Öffentlichkeit noch über Moral und Recht gestritten
wird, hat sich längst, vergleichbar mit der Atomlobby, ein
Interessenkartell zusammengefunden, das in Politik und Wirt-
schaft die Weichen stellt.
Schon vor Jahren stand im Deutschen Ärzteblatt - ohne
jedwede Distanzierung durch Herausgeber─ein Artikel eines
Bremer Professors mit den Aussichten auf Züchtung von
Mensch-Tier Mischwesen für einfache (!) Arbeit. Auf dem 88.
Deutschen Ärztetag (taz 31. 7. 85) Dings in ähnliche, aber
wohlformulierte Richtung.
Dem sich derzeit auf internationaler Ebene formierenden
Widerstand gegen Gen-, Bio-und sogenannte Reproduktions-
techniken (Retortenkinder u.ä.), steht eine Lobby biotechno-
logischer Forschung und marktgerechter Nutzung gegenüber,
die sich von den Ministerien über die Hochschulen, die
halbstaatlichen und privaten Forschungseinrichtungen bis in
die Konzernzentralen der Multis erstreckt. Die zukünftigen
Nutznießer sind zudem in Kontroll- und EthiRkommissionen
personell miteinander verflochten.
Allein die Auflistung der Verschachtelungen dieses Interes-
senkartells ist eine gewaltige Arbeit, die nur von vielen
gemeinsann geleistet werden kann. Für solche Arbeiten müs-
sen einfach die Vorteile einer Textverarbeitung mit Computer
genutzt werden - nicht zuletzt deshalb, weil diese oder
ähnliche Vorarbeiten in der Regel unbezahlte "Freizeitbe-
schäftigung" sind. Freilich nutze ich den RATIONALISIE-
RUNGSEFFEKT des Computers, um mir diese unbezahlte
Alltagsarbeit so einfach wie möglich zu machen. Nicht zuletzt
deshalb weil ich "nebenbei" mit einem acht Stunden Tag die
Brötchen verdienen muß.
Aber vielleicht habe ich in den tieferen Sinn der (be-
herrschenden) Angst vor dem Computer noch nicht verstan-
den. Je mehr ich mich allerdings mit den Aussagen compu-
terbegeisterter Technokraten und den Alpträumen negativer
Utopisten befasse, um so mehr erscheint mir der Computer
als Mittel zur "Psychologischen Kriegsführung', zur Kontroll-
propaganda - Träger einer Ideologie, die sich auf globaler
Ebene immer perfekter durchsetzt und den Geist der Aufklä-
rung, der Befreiung und der Egalität zerlöchert. Benutzt wird
das Mittel der Angst und einer subtilen, kaum noch entwirr-
baren Form geistiger Umweltverschmutzung. Wenn ich bei-
spielsweise den für den Umgang mit der Computertechnik
typischen Satz lese, daß "künstliche Intelligenz das Wissen
von Experten rausschlürft', um damit als technisches Exper-
tensystem den Menschen von seinen irn Lebensprozeß erwor-
benen Erfahrungen zu entleeren", so sind dies vor allem
angstscherende Metaphern aus dem Genre der Horrorfilme.
Wie soll sich einer noch gegen ein solches, die Seele aus-
schlürfendes Technikmonster wehren können?
fit