in'side online 4/5'96 - Praxis |
Chatten per IRC und im World Wide Web
Kaffeeklatsch mit Partnertausch
Chatten macht Spaß. Chatten kann den Horizont
erweitern. Chatten kann sehr heftig oder auch - warum nicht? -
sehr zärtlich werden. Chatten ist vielleicht der
schönste Grund, rhythmisch in die Tasten einer
Computertastatur zu greifen. Aber Vorsicht: Chatten kann ganz
schön süchtig machen!
Das “Chatten” im Internet hat mit dem Senden und
Empfangen von E-Mail einiges gemeinsam: Es gehen getippte
Nachrichten durchs Netz, während Sender und Empfänger
möglicherweise tausende von Kilometern voneinander entfernt
sind.
Was den Chat von der E-Mail-Korrespondenz unterscheidet, sind
hauptsächlich zwei Dinge: Während die elektronische
Post von einem Netzteilnehmer ausschließlich an Leute
geschickt wird, die ihm (zumindest ihrer E-Mail-Adresse nach)
bekannt sind, können in einem Chat-Forum normalerweise alle
Teilnehmer jede Message lesen und darauf reagieren. Zum anderen
läuft eine solche Chat-Konferenz sozusagen live, also
beinahe in Echtzeit ab, während E-Mail-Nachrichten schon
systembedingt immer mehr oder weniger starken Verzögerungen
unterliegen.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Internet-Diensten werden
Chat-Systeme nur selten zur gezielten Informationssuche benutzt.
Bei den Gesprächen geht es auch viel häufiger als im
Internet sonst üblich um alltägliche und eher banale
Themen: Wie ist das Wetter in Singapur? Wie war Dein Examen? Wo
finde ich ein gutes italienisches Restaurant in Hamburg?
Können Männer und Frauen Freunde sein?
Diskussionen zum Tagesgeschehen, zu neuen
Computer-Technologien oder brennenden politischen Fragen haben
hier ebenfalls ihren Platz. Aber auch philosophische
Kontroversen, Fachsimpeleien über kulturelle Themen und
augenzwinkernde Flirts sind keine Seltenheit.
Völkerverständigung
So unterschiedlich sich die Themen darstellen, so verschieden
sind auch die Menschen, die via Internet - meist unter einem
selbstgewählten Pseudonym - chatten. Aber schleichen wir uns
doch einfach mal unerlaubterweise in einen Chat hinein und
hören ein wenig zu. Weil Chatten im IRC schneller,
reibungsloser und komfortabler vor sich geht als auf den meisten
Web-Chat-Sites, entscheiden wir uns für ein IRC-Netz: Wie
wäre es mit dem Undernet?
Der Bequemlichkeit halber wählen wir dort einen der
(wenigen) deutschsprachigen Kanäle. Aha, #Leipzig sieht
so aus, als würde dort deutsch gesprochen. Also schnell
einen IRC-Client
(535KB) besorgt, installiert und - los geht's!
* talking in #Leipzig *
<Zombie> Ist aber wieder mächtig viel los
hier...
<Susi> Zom: Hättest mal gestern hier sein
sollen, CUE hatte Geburtstag und hat eine virtuelle Sektrunde
ausgegeben.
*** Zombie schüttelt sich.
(Aha, jetzt hat er /ME eingegeben und einen Handlungsverlauf
getippt, so daß eine Aktions-Beschreibung erscheint.)
<Susi> Zom: Magst du keinen Sekt?
<Zombie> Susi: Viel lieber mag ich dich...
(Aus Susis PC-Lautsprecher dringt jetzt ein schmatzendes
Geräusch, ohne Zweifel ein Küßchen. Aha, Susi und
Zombie haben offensichtlich beide teil an der Sound-Connection, einer sinnreichen
Verabredung, die es erlaubt, mit einem bestimmten IRC-Client
unter Benutzung eines gemeinsamen Sound-Pakets die Tippkonferenz
mit den witzigsten Geräuschen zu würzen.)
<Susi> Zom: Ich prickle aber nicht, außerdem
passe ich in keine Flasche.
*** Zombie versucht krampfhaft, Susi in eine Flasche zu
pressen.
<Lumpf> Zom: Flirte nicht so viel rum, sonst
beschlägt dir wieder die Brille - so wie letztes Mal.
<Zombie> Hey, Leute - kennt Ihr den schon? Was
kriegt man, wenn man eine Blondine mit Schokolade
übergießt?
<Lumpf>: Jaaaaaaaaaa!
<Susi>: Ja, ist alt!
<Leonie:> Kenn' ich, hör auf!
*** Leonie verpaßt Zombie eins mit der Kelle auf die
Denkmurmel.
<Zombie> Dann eben nicht! * schmoll! *
... und so weiter. Verlassen wir hier die traute Chat-Runde.
Sie können ja jederzeit mal wieder hereinschauen und
mitmachen. Wir wenden uns nach so viel lockerer Praxis wieder ein
bißchen der Theorie zu.
Seinen Ursprung hat das Chatten via Internet in Finnland: An
der Universität von Oulu entwickelte Jyrki Kuoppala im
Sommer 1988 die Software für den Internet Relay Chat (IRC).
IRC basiert auf einer Client-Server-Lösung mit
Server-Netzwerk. Ein solches Gebilde besteht aus mehreren
IRC-Servern, die untereinander verbunden sind und aus
Anwendersicht als ein einziger “Chat-Raum” erscheinen.
Die Benutzer können sich mit Hilfe eines IRC-Clients in
einen der Server einloggen und so an den einzelnen Diskussionen
teilnehmen. Diese Gespräche laufen öffentlich ab, es
gibt jedoch auch die Möglichkeit, einzelne Nachrichten auf
bestimmte Gesprächspartner zu beschränken.
Um die Unterhaltungen im IRC zu strukturieren, gibt es ein
Kanalschema ähnlich wie beim CB-Funk. Ein Chat-Kanal kann
von jedem Benutzer ins Leben gerufen werden. Das ist einer der
größten Vorzüge des IRC, der zugleich aber auch
einen der übelsten Nachteile darstellt:
Neue Kanäle zu aktuellen Themen lassen sich spontan
einrichten. Andererseits kann aber auch sozusagen jedermann nach
Lust und Laune Blödsinns-Channels aus dem Boden stampfen.
Dadurch entsteht leicht eine unkontrollierte und unsortierte
Channel-Flut. Um dieser Gefahr zu begegnen, wurden im Laufe der
Zeit mehrere kleinere IRC-Netze ins Leben gerufen, welche die
Einrichtung dauerhafter und sinnvoll bezeichneter Kanäle
ermöglichen.
Ein Schwätzchen auf der Web-Site
Einen neuen Trend stellen Chat-Räume auf Sites im World
Wide Web dar. Sie lassen sich in der Regel mit dem gewohnten
Web-Browser betreten. Gerade Einsteiger, die vielleicht vor der
Installation eines IRC-Clients zurückschrecken, können
beim Web-Chat schon einmal üben und Mut sammeln. Da das im
WWW verwendete Protokoll HTTP allerdings überhaupt nicht
für solche Zwecke eingerichtet worden ist, funktioniert
Web-Chat längst nicht so reibungslos und flüssig wie
die Tippkonferenzen im IRC. Dafür spendieren manche
Web-Sites ihren Chat-Seiten eine besonders phantasievolle
Gestaltung. So lassen sich bisweilen Bilder zur Kennzeichnung der
Teilnehmer verwenden, manche Sites nutzen auch die Frame-Technik
von Netscape 2.0, um den CHat komfortabler zu machen.
Der Chat-Raum auf dem hannoverschen Shark-Server ist zwar nur schwach
frequentiert, aber hübsch gestaltet
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Haben Sie Lust auf ein Schwätzchen im Internet bekommen?
Dann nur keine Hemmungen - Sie werden sehen, es ist viel
leichter, damit anzufangen, als wieder aufzuhören. Die
Heftausgabe der in'side online enthält
über das hier Gesagte hinaus noch eine ganze Menge
näherer Informationen zu verschiedenen Chat-Verfahren, eine
Liste besonderer Web-Sites mit Chat-Räumen und eine kleine
Anleitung, die es Ihnen erleichtert, in den IRC einzusteigen.
Außerdem erfahren Sie, welche Rolle in Zukunft Technologien
wie Java und virtuelle Welten beim Chat spielen können.