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Es ist kein normales Fußballspiel - das Pokalfinale VFB Stuttgart gegen Energie Cottbus.Es spielt zusammen, was eigentlich nicht zusammen-gehört. Ein Ost-West-Konflikt der ganz besonderen Art. Da treffen am Samstag im Berliner Olympia-Stadion zwei völlig fremde Welten aufeinander: Die rackernden Fußballfacharbeiter, die Helden der Lausitz und die verwöhnten Weststars mit Millionengagen. David gegen Goliath. Und, weil Fußball immer auch ein bißchen Ersatzkrieg ist, hat die "Schlacht" um den Pokal auch eine politische Dimension. Ossi-Stolz gegen Wessi Arroganz.
Energie Cottbus ist nämlich für viele Ossis mehr als ein Verein. Cottbus - ein östliches Erfolgsmodell, ein Markenartikel, der Wende und Zusammenbruch überlebt hat. Wie Radeberger Bier und Rotkäppchensekt. Aufschwung Ost eben. Fußball ist natürlich eine viel zu ernste Angelegenheit, um dieses Ereignis alleine unseren Sportkollegen zu überlassen.
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Ein Beitrag von Christhard Läpple
Die Kugel ist rund aufgeteilt, in Gut und Böse. Im Vorgarten ein Souvenir aus Honeckers Zeiten. Cottbus in diesen Tagen. Aufschwung Ost - Dank Energie.
Bürger
So, jetzt kommt ja Geld rein bei denen, na also sicher wird das auch was bringen -
Es gibt, sagen wir mal Selbstvertrauen, alles... nichÆ! Das baut auf, sagen wir es mal so, man kann mit ehrlicher Arbeit doch noch zu was kommen.
Cottbus, die Lausitz-Metropole, baut auf. Statt der Klischees Erfolge. Im Osten was Neues, im Westen die Nachfrage. Was fällt den Stuttgartern spontan in dieser Woche zu Cottbus ein.
Schwäbische Passanten
Überhaupt nichts, gar nichts....
Oh, irgendwas im Osten....
Ja, Cottbus ist eine Stadt in der ehemaligen DDR und sie hieß früher mal anders...
Nichts gelesen, nichts gehört, nichts gesehen. Ich weiß nur, daß es im Osten ist. Mehr weiß ich nicht.
Bla, bla, bla, Einstimmung auf die neue Zeit. Hans Joachim Schröpfer ist ein Cottbusser Original, Opernsänger am Staatstheater, PDS-Genosse in Funktionen und Botschafter der Stadt. Seine Antwort auf Stuttgarter Unwissenheit:
Ganz einfach, der Cottbusser Postkutscher putzt den Cottbusser Postkutschkasten. Um es sich leichter zu machen, kann man natürlich auch sagen, den Cottbusser Postkutschkasten putzt der Cottbusser Postkutscher.
Cottbus liegt dicht an der polnischen Grenze und mitten im einst größten Braunkohlerevier Europas. Vieles hier ist stillgelegt worden. Das gigantische Kraftwerk Schwarze Pumpe ist neu. Vier Milliarden Mark werden investiert. Wer hier Arbeit hat, kann sich glücklich schätzen, denn ohne festen Job ist jeder Fünfte in der Lausitz.
Sieben Jahre Strukturwandel, Siegbert Schnabel ist nun Fahrstuhlführer. Ein eingefleischter Energie-Fan, wie alle hier. Im Fahrstuhl und auf 160 Metern Höhe. Stolz auf die Siege und Enttäuschung über jahrelange Zurücksetzung.
Siegbert Schnabel
Also mit den Vorurteilen, da denke ich mir meinÆ Teil alleine, das muß ich ganz ehrlich sagen. Aber zum Beispiel jetzt hier, was Ost und West angeht, da kann man ja im Prinzip noch über zwei Deutschlands reden, wenn man es so nimmt.
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Stadion der Freundschaft. Notizen von einem Klassenkampf in Sachen Fußball. Auf dem Spielplan die Entscheidung. Cottbus gegen Hannover. Es geht, sportlich gesehen, um den Aufstieg in die zweite Liga. Selbst der Landeschef zeigt Flagge. Und die Seelenmassage Ost zeigt Wirkung. Die Fans, sie beschwören ihre Energie. Das läßt Hannover nicht ruhen. Die demonstrative Antwort: æWest-Deutschland!Æ, so die Parole. Stadion der Freundschaft im Jahre "Sieben" der Deutschen Einheit.
Fans
Westdeutschland, ich meine, irgendwo sind wir jetzt seit sieben Jahren ein Land und wenn ich dann sowas sehe wie da drüben. Die da drüben, die das æWest-DeutschlandÆ raushängen lassen, das finde ich ein bißchen affig, muß ich ganz ehrlich sagen.
Wir haben vorher Ostdeutschland gerufen, weil der Klassenkampf, der wurde so hochgepeitscht zwischen Hannover und Cottbus. Das war unnormal. Da war zwischendurch so viel Gift drinne gewesen in dem Spiel, da ist das ganz normal, daß wir uns dann auch behaupten wollen.
Der Behauptungswille zeigt auch auf dem Rasen Wirkung. Voller Energie stoppen die Cottbusser Höhenflüge des Gegners. Und greift der Schiedsrichter durch, stimmt das Weltbild wieder.
Doch auch in Unterzahl gelingt das Fußball-Wunder in der Lausitz. Detlef Irrgang befördert mit zwei Treffern zum 3:1 die Braunkohle-Region aus dem Abseits und ins gesamtdeutsche Rampenlicht. Der Jubel ist grenzenlos. Höhepunkt einer beispiellosen Energie-Leistung. 57 Siege in Folge, Lokalfinale in Berlin und nun das.
Fans
Das macht nicht nur den Fußball-Fans Mut, das ist so was wie Aufschwung Ost, ja!
Teamgeist, Freunde, das ist etwas, was fast überall so ein bißchen verloren gegangen ist. Hier steht einer für den anderen.
Bei den vielen Arbeitslosen, bei den vielen Arbeitsplätzen, die hier verlorengegangen sind, gibt das unerhörten Auftrieb
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![Fans](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/fans.jpg) |
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![Cottbusser Arbeiter](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/cottbus.jpg)
![OB Kleinschmidt](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/kleins~1.jpg)
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Aufschwung Ost, dank Energie im Stadion der Freundschaft. Die neuen Perspektiven wecken in der Randregion riesige Erwartungen. Die Hoffnung, die sportlichen Erfolge lassen sich auch in den grauen Alltag verpflanzen. Ergebnis: eine brisante Mischung aus Fußballfieber und Frust mit klaren Fronten.
Passanten
Die haben doch hier nur im Osten abgezockt und das Geld genommen, nach rüber. Und die von der EU kamen von überall, die haben doch nur genommen......
Wenn man das so sieht, wie die ganzen Schornsteine ausgehen, das ist einfach traurig, absolut.
Wissen Sie, ich hatte vor Jahren mal æne andere Meinung, aber wir haben dem westdeutschen Fußball bewiesen, daß im Osten auch Fußball gespielt werden kann und für weniger Geld.
Waldemar Kleinschmidt, Oberbürgermeister von Cottbus und in der Chefetage von Energie. Stolz zeigt er den Aufbauwillen seiner 120.000 Einwohner-Stadt. Den Image-Gewinn will er wirtschaftlich nutzen. Ob auf Jugendweihe-Feiern oder wie hier vor Handwerkern, lobt er Cottbusser Tugenden: Kampfgeist und der Glaube an eigene Fähigkeiten. Das kommt an.
Manfred Stolpe, SPD, Ministerpräsident Brandenburg
Energie Cottbus hat ja über ein Jahr schon die Leistung bewiesen und ich denke, das ist für alle Menschen im Osten der Aufschwung.
Bei so viel Euphorie muß Cottbus erst einmal nicht nur Fahnen weihen, sondern auch Erwartungen dämpfen.
Waldemar Kleinschmidt, CDU, Oberbürgermeister Cottbus
.... diese ganze Euphorie! Ich sage auch immer, Leute bleibt alle auf dem Teppich. Man kann da nicht so viel erwarten, das ist Sport. Und hier haben Mannschaften gegeneinander gespielt und die Bessere hat gewonnen und mehr ist es nicht. Und kein Klassenkampf oder was anderes, was da nicht hineingehört, da wehre ich mich immer wieder.
Und doch: Eine Region steht Kopf. Berlin wir kommen. Die Kugel rollt. Cottbus in diesen Tagen - das Erfolgsmodell Ost.
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