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Die Finanzminister der Republik könnten sich besser Sparkommissare nennen, denn sie haben nur noch Haushaltslöcher zu verwalten. Besonders betroffen -die Bundeshauptstadt Berlin. Bis 1989 aus dem Subventionstopf des Bundes verwöhnt, wie keine andere Stadt, sind bis heute 8 Milliarden D-Mark Bundeshilfe weggefallen. Keine leichte Aufgabe für die Finanzsenatorin von der SPD, Annette Fugmann-Heesing. Verkehrte Welt. Ist es in Bonn die Bundesregierung, die auf Privatisierung setzt, die bei der SPD keine Begeisterung auslöst, so ist es in Berlin die SPD-Senatorin, die die Privatisierung vorantreibt, was die CDU und die GRÜNEN nicht begeistert.
Jede dritte Steuermark gibt Berlin allein für die Zinsen aus und 10 Milliarden des Etats sind nicht durch Einnahmen gedeckt. Da bleibt nur das Tafelsilber zu verkaufen, gepaart mit einer geschickten Ansiedlungspolitik.
Wie schrieb doch eine Zeitung: "Bei ihrer Ankunft war sie nur ein Name - jetzt ist sie ein Begriff".
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Ein Bericht von Rita Stingl
Annette Fugmann-Heesing, SPD, Finanzsenatorin Berlin
Ich denke, daß ich ein Mensch bin, der sich klare Ziele setzt...
... daß ich ein Mensch bin, für den die erfolgreiche Bewältigung einer Aufgabe einen hohen Stellenwert hat ...
... und aus dieser Beschreibung als Mensch folgt dann eben auch der Ansatz für die Politik.
Ihr Ziel ist klar und vor allem ehrgeizig - sie will Berlin aus der Finanzkrise führen: Annette Fugmann-Heesing, 42 Jahre, Juristin. Schon einmal dirigierte sie die Finanzen eines Bundeslandes: Hessen - doch im Sog der sogenannten Lotto-Affaire trat sie zurück: Ihrem Ruf tat dies kaum Abbruch - im Gegenteil: die Berliner empfingen den Neuling mit großen Vorschußlorbeeren. Als neuer Politstar trat sie an - und wie ist es mit dem polititschen Erfolg nach über einem Jahr?
Volker Liepelt, CDU, parl. Fraktionsgeschäftsführer
Die Senatorin ist sicherlich tüchtig und fleißig, sie hat aber nicht in jedem Fall ihre selbstgesteckten Maßstäbe erreicht. Das zeigt ja schon das Kassendefizit, was wir im letzten Jahr hatten, aber wir haben erste Erfolge im Senat, was Ausgabenkürzung anbetrifft.
Michaele Schreyer, Bündnis 90/Die Grünen, Senatsabgeordnete
Dann ist sie leider sehr schnell von der Berliner Situation verschlissen worden, die dann doch da drauf hinausläuft, daß das politische Überleben das Vorrangige ist und nicht eigentlich die Gestaltung in der Stadt.
Verschlissen wirkt die Senatorin keineswegs: sie gilt als arbeitswütig. Ihre Zahlen hat sie im Kopf - doch den Begriff Buchhaltung will sie nicht hören: Finanzpolitik - das sei Wille zu Kreativität und Umgestaltung. Und wenn, dann schon gleich richtig hohe Ziele: Unter dem Motto "Sparen" will sie neues Denken verkaufen - Abschied vom Gewohnten.
Annette Fugmann-Heesing, SPD, Finanzsenatorin Berlin
Es kommt darauf an, daß wir den Mut haben, die Strukturentscheidung auch wirklich zu treffen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Berlin hat 23 Bezirke - wir müssen auf 12 Bezirke kommen, weil dieses viele Vorteile mit sich bringt - das ist ein schwieriger politischer Prozeß, aber man muß bereit sein, diese politischen Entscheidungen zu treffen, das sind ehrgeizige Ziele.
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Und damit geht sie durchaus auf Konfliktkurs mit der eigenen Partei. Unterschriften-Aktion der SPD Kreuzberg zur Gebietsreform: 76 Jahre Berliner Bezirksgeschichte durch Senatsbeschluß und Sparzwänge weggewischt - die Basis wehrt sich gegen den Aktionismus von oben, will die Bürger befragen. Auch wenn Umdenken in der Partei jetzt Programm ist.
Klaus Böger, SPD-Fraktionsvorsitzender
Ich bin dafür und da bin ich sehr an der Seite von Frau Fugmann - daß wir eben gemeinsam was voranbringen und die Aufgaben energisch anpacken, auch wenn da eine oder andere, auch in der eigenen Partei, aufjaulen und sagen, das haben wir aber noch nie so gemacht - na schön, dann machen wir es jetzt.
Und immer mehr Tabus fallen: Erst trotzte die Senatorin der Partei den Verkauf des Berliner Stromversorgers Bewag ab. Nach Monaten gingen die Verhandlungen über die Bühne: Für die Kritiker ist der Einstieg eines amerikanischen Konzerns energiepolitisch fatal - für die Senatorin ein richtiges Signal. Sogar Wohnungen sollen ins Angebot. Anteile an den städtischen Gesellschaften. Doch der Verkauf des Tafelsilbers ist umstritten.
Horst Gryszyk, Präsident Rechnungshof Berlin
Mit dem Verkauf von Vermögen kauft man sich nur Zeit - man überbrückt im Grunde, weil eine Einnahme aus einem Vermögensverkauf nur für ein Jahr wirkt. Wir müssen sehen, daß wir Ausgaben sparen und daß wir versuchen, die Einnahmen zu erhöhen und hoffen sehr, daß es uns gelingt, auf der Basis einer guten Wirtschaft in Berlin wieder an Steuerkraft zuzunehmen, denn hier liegt ein weiteres Problem der Stadt.
Sparen allein kann die Lösung nicht sein, sagt der Koalitionspartner. Denn die CDU will vor allem die Wirtschaftskraft unangetastet sehen - will Investitionen nicht zurückschrauben. Die neueste Hiobsbotschaft: Steuerausfälle in Höhe von 500 Millionen Mark. Der Boom der Stadt täuscht - zehntausende Arbeitsplätze gingen bereits verloren. Die Stadt dürfe nicht kaputtgespart werden.
Volker Liepelt, CDU, parl. Fraktionsgeschäftsführer
Und ich habe ein Bild der Stadt, die nach einer schwierigen Periode dann eben eine attraktive und prosperierende Metropole ist und das heißt, daß ich in einem großen Umfange auch Investitionen in dieser Stadt tätigen muß und damit sind Arbeitsplätze verbunden, die wir auch brauchen in der Stadt und deswegen will ich an diesen Dingen nicht rütteln, möchte das auch gerne in der bisherigen Größenordnung mindestens weiterführen und das unterscheidet uns auch bei den grundsätzlichen Auseinandersetzungen in der Haushaltspolitik von der Senatorin.
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![](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/liepert.jpg) |
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![Fugmann](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/fugmann.jpg)
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Mehr Zeit und vielleicht neue Finanzspritzen aus Bonn - solche Ideen begeistern die Senatorin nicht. Die Zeit des Ausruhens sei vorbei - auch auf einer Podiumsdiskussion über die Zukunft der Hochschulen will sie nichts von Kahlschlag hören, verkauft Kürzungen als moderne Politik.
Annette Fugmann-Heesing, SPD, Finanzsenatorin Berlin
Ich willÆs mal als These in den Raum stellen - ich bin der Überzeugung, daß vieles, was wir an Veränderung in der Bundesrepublik brauchen, durch den Druck der leeren Kassen erst wirklich initiiert wird.
Und der neue Haushalt wird zur großen Bewährungsprobe: Ein neues 10 Milliarden-Loch tut sich auf: die Berliner müssen sich wohl zusammenraufen.
Michaele Schreyer, Bündnis 90/Die Grünen, Senatsabgeordnete
So eine Konsolidierung kann man natürlich nur machen, wenn man die Vorstellung gleicher Art darüber hat, wieviel Abgaben sind dem Bürger zumutbar, was sind die wichtigsten politischen Ausgabenbereiche und wie will man auch mit dem Zukunftvermögen der Stadt umgehen. Und da sind eben nicht gleiche Vorstellungen zwischen den Koalitionspartnern vorhanden.
Dann wird sich zeigen, ob Berlin es aus eigener Kraft schafft und die Politik der Senatorin wirklich beispielhaft ist.
Annette Fugmann-Heesing, SPD, Finanzsenatorin Berlin
Ich bin eben auch der Überzeugung, daß das, was wir hier in Berlin verändern können, auch vorbildlich für die Bundesrepublik sein kann, wenn wir politisch die Kraft und den Mut haben, dieses umzusetzen.
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