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Kienzle Die Franzosen haben sich gründlich verwählt, zumindest aus der Sicht von Staatschef Jaques Chirac. Dessen Konservative hatten bisher eine 4/5 Mehrheit im Parlament. Jetzt muß der Präsident vielleicht bald mit einem linken Ministerpräsidenten kohabitieren. Eine Französin durfte ihre Stimme nicht abgeben, obwohl sie wild entschlossen war. Eine Elsäßerin. Als sie sich ins Wahlregister eintragen wollte, erlebte sie eine Überraschung. Die Bürokraten sagten Nein! Und das, obwohl sie einen französischen Paß hat. Und französische Eltern. Das war den Bürokraten der Grande Nation noch nicht französisch genug. Auch in Frankreich sorgen eben Amtspersonen für Probleme, die es ohne sie gar nicht gäbe.

Hintersetzer Ein Beitrag von Hans Werner Conen

Das Wohnzimmer der Familie Steffan. Astrid lebt mit ihren Eltern in Osthoffen, nicht weit von Straßburg, also in Frankreich. Sie ist am 5. Mai achtzehn Jahre alt geworden. Eltern und Großeltern sind Elsäßer, also seit 1918 Franzosen. Astrid Steffan engagiert sich in der Kirche und will eine gute Staatsbürgerin sein. Und: sie will an der Wahl zur Französischen Nationalversammlung am letzten Sonntag teilnehmen. Zum ersten Mal. Ehrensache.

Das Wahllokal im Rathaus von Osthoffen. Die meisten Einwohner des 700-Seelen-Dorfes haben schon nach dem Kirchgang ihre Stimme abgegeben. Jetzt will Astrid Steffan wählen. Ein großer Tag im Leben einer jungen Staatsbürgerin.

Astrid Steffan
Ich wollte wählen, aber ich habe die Rechte nicht bekommen, insofern, als sie mir nicht glauben, daß ich französisch bin und sie glauben auch nicht, daß meine Eltern französisch sind und das finde ich wirklich ungerecht und total absurd. Meine Eltern sind immer französisch gewesen und ich bin immer französisch gewesen. Und ich bin sehr enttäuscht.

Bürgermeister Schall ist die Sache peinlich. Immer zu Jahresbeginn werden die Wählerverzeichnisse aufgestellt und an die übergeordnete Präfektur gegeben. Wer erst im Lauf eines Jahres 18 wird und schon mitwählen will, muß einen Extraantrag stellen. Und den lehnen die Ober-Bürokraten bei Astrid Steffan ab: Sie sei keine Französin und dürfe nicht wählen. Basta. Der Bürgermeister könnte sich im Dorf nicht mehr sehen lassen, wenn er die da oben auch noch verteidigen würde.

Antoine Schall, Bürgermeister Osthoffen
Es tut mir leid, daß Astrid jetzt solche Probleme hat. Meiner Ansicht nach handelt es sich hierbei um ein exzessives Vorgehen der Bürokraten, die mit schlechtgemachten Gesetzen hantieren

. In den Photoalben der Familie: Bilder aus Tunesien. Äußerst verdächtig, frohlocken die Bürokraten, da sagen wir erst mal nein. Denn Astrid Steffan ist in Tunesien geboren. Dort arbeitet ihr Vater zwölf Jahre lang beim französischen Militär. Da wird die Tochter französischer Eltern wohl Afrikanerin sein, gruseln sich die Ämtler, obwohl das Gesetz dies ausschließt. So eine darf doch nicht wählen, oder?

Und, wo sie schon einmal dabei sind: sind denn die Eltern überhaupt Franzosen? fragen streng die Amtspersonen. Jean-Luc Steffan, Dozent an der Uni Straßburg, ist fassungslos.

Jean-Luc Steffan, Vater von Astrid Steffan
Das ganze Problem hängt auch daran, daß mein Vater im Jahre 1912 geboren ist und 1912 war das Elsaß im Deutschen Reich. Und das Problem um die Nationalität haben wir nur, weil wir jetzt Elsässer sind und weil unsere Eltern vor dem Ersten Weltkrieg geboren sind. Die anderen Franzosen werden dieses Problem nicht haben.

Buergermeister
Wahlurne Mit dem Versailler Vertrag werden 1918 alle Einwohner des früheren Reichslands Elsaß-Lothringen Franzosen, dürfen wählen und gewählt werden. Sie erhalten französische Papiere, auch die Großeltern von Astrid Steffan. Na und, grinsen die Bürokraten und ignorieren ihren Personalausweis und Paß einfach. Sie soll rechtlos sein. Die Großeltern in deutscher Zeit geboren, die Enkelin in Tunesien, und sowas will Französin sein - das ist zu hoch für einfältige Amtsinsassen. Da erwacht bei Madamme Steffan revolutionärer Geist.

Danielle Steffan, Mutter von Astrid Steffan
Mein Mann und ich wählen heute auch nicht, zum ersten aus Solidarität mit unserer Tochter und auch aus Respekt gegenüber unseren Eltern.

Lokal statt Wahllokal. Astrid Steffan will Französin sein.
Was für ein feines Problem, freut sich die Internationale der Bürokraten.

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