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![Kienzle](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/kienzl~2.gif) |
Auf dem Bau braut sich was zusammen. Die Stimmung wird immer explosiver. Die Wut der Bauarbeiter hat sich durch die Abschaffung des Schlechtwettergeldes noch vergrößert. Das war Öl ins Feuer. Die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter hat sich dadurch schlagartig verdoppelt. Und Arbeitslose sind noch teurer als das Schlechtwettergeld.
400.000 deutsche Bauarbeiter sind zur Zeit ohne Job. Eine soziale Katastrophe. Und die Lage spitzt sich weiter zu. Auftragseinbrüche, Billigkonkurrenz und Schwarzarbeiter haben vor allem mittelständische Betriebe an den Rand des Ruins getrieben. Seit dem 1. Januar sollte nun alles anders werden. Auf deutschen Baustellen müssen Mindestlöhne bezahlt werden. 17 Mark im Westen, 15,64 im Osten. Aber je brutaler der Wettbewerb, umso niedriger die Hungerlöhne. Trotz verschärfter Razzien ist es sehr die Frage, ob es gelingt, die kriminellen Hintermänner aufzuspüren, die das große Geld mit Schwarzarbeitern machen.
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![Hintersetzer](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/hg04034.gif) |
Ein Bericht von Rita Stingl Die Anfahrt muß reibungslos klappen. Ein Riesenkonvoi bahnt sich den Weg durch Berlin. Erst kurz vor dem Start wird das Ziel bekannt gegeben. Wenn jemand etwas merkt ist die Chance vertan, die Mühe umsonst. Jetzt muß alles schnell gehen. Über 200 Polizisten und Kontrolleure des Arbeitsamtes stürmen die Baustelle, alles wird rundum abgeriegelt. Baurazzia in der Hauptstadt.
Winfried Reimann, Landesarbeitsamt Berlin-Bradenburg
Inhalt unseres Prüfauftrages ist ja, zum einen festzustellen oder zu prüfen, ob ausländische Arbeitskräfte vor Ort tätig sind ohne die entsprechende Arbeitserlaubnis. Wir prüfen dann später auch, ob Leistungsbezieher der Bundesanstalt für Arbeit dabei sind, wir prüfen allerdings schwerpunktmäßig jetzt auch seit Beginn des Jahres die Einhaltung der Mindestlohnbedingung nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz.
Fast 800 Arbeiter sind heute zu prüfen, jeder einzelne wird befragt, muß Auskunft geben über Verdienst, Arbeitszeit und seine Tätigkeit. Der Ausweis wird kontrolliert, die Arbeitserlaubnis, alles wird penibel erfaßt.
Die Sprachhürde ist ein Problem. Viel schwieriger noch ist, den wahren Lohn zu ermitteln. Der Verdienst ist oft eine Mischung aus Geld, Gutschriften für Essen, Unterkunft und Heimfahrten. Die Kontrolleure müssen später aus den Lohnunterlagen herausfiltern, was wirklich bezahlt wird. Und da wird getrickst und verschleiert, vermutet das Amt.
Klaus-Peter Fleck, Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg
Das sind vermeintlich seitens des Arbeitgebers gegebene Kredite, die durch den Arbeitnehmer in einer bestimmten Anzahl von Tagen abzulösen sind, das sind Unterschiedlichkeiten hinsichtlich der Zahl der geleisteten Stunden. Auch die Arbeitszeit muß ja in Relation gesetzt werden zu dem gezahlten Lohn, auch da gibt es Manipulationsmöglichkeiten. Es gibt, wenn Sie es so wollen, wie bei jeder gesetzlichen Bestimmung eine Fülle von Möglichkeiten, das Gesetz zu umgehen bzw. zu kontaktieren.
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Die Wildwestmethoden kennt man vor allem an der Basis. Hochbetrieb im Container der Gewerkschaft. 11 Portugiesen suchen Hilfe, seit sechs Wochen arbeiten sie hier und haben noch kein Geld gesehen. Mit 200 Mark Vorschuß habe man sie abgespeist, für täglich zehn Stunden am Bau, sechs Tage die Woche. Ständig wurden sie vertröstet, und jetzt wissen sie nicht mehr weiter. Arbeitsverträge haben sie auch nicht, nur Blankoformulare. Von ihrem mitgebrachten Geld mußten sie sogar das Arbeitsgerät kaufen, nichts ist ihnen geblieben.
Ein portugisiescher Arbeiter
Nichts haben wir mehr, nichts! Selbst für Anrufe nach zuhause haben wir kein Geld, wenn wir mit unserer Familie sprechen wollen, müssen wir ein R-Gespräch anmelden.
2800 Mark sollen sie kriegen für 60 Stunden die Woche, aber ohne Verträge kann auch der Gewerkschafter nicht feststellen, ob das dem Mindestlohn entspricht.
Achim Klimke, IG Bauen-Agrar-Umwelt
Bei uns ist es so, daß unsere Gesetze den Rechtsbrecher schützen. In dem Fall haben Sie es ja mitbekommen, daß die Kollegen jetzt hinter ihrem Geld herrennen müssen. Wir können jetzt nicht hingehen und den da schütteln, sondern wir müssen das jetzt aufnehmen, ausrechnen - für jeden einzelnen Arbeitnehmer und dann dem Gericht übergeben.
Solange können und wollen die Portugiesen nicht warten, sie wollen ihr Geld jetzt. Zuhause wird man sie doch nur wieder vertrösten. Vor dem Baugelände treffen wir den Chef der Firma, der streitet erstmal alles ab.
Also, das stimmt nicht, was die Leute sagen, daß sie kein Geld kriegen, das stimmt nicht. Diese Leute, also sie haben, sie sind also betrunken.
Später erklärt er uns, die Leute arbeiten nicht für ihn, sondern für einen seiner Subunternehmer. Der habe den Leuten das Geld nicht ausbezahlt, aber er will sich heute noch persönlich kümmern.
Alles ruht bei der Firma Hein. Seit Januar ist der Betrieb stillgelegt. Zum erstenmal in der fast 90jährigen Firmengeschichte. 160 Arbeiter wurden entlassen - vorübergehend - bis wieder Arbeit da ist. Die Firma bewirbt sich vor allem um öffentliche Ausschreibungen, doch selbst da sind Aufträge Mangelware.
Peter Foerstendorf, Fa. Gebrüder Hein
Wir haben hier in dem ersten Quartal 1997 kaum Aufträge, so daß wir unsere Leute nicht beschäftigen können. Wir könnten Aufträge annehmen, aber die wären nicht mehr kostendeckend, weil wir es mit Konkurrenz zu tun haben, die Löhne zwischen 8 und 12 Mark oder 12 und 14 Mark bezahlen und wir haben Lohnkosten von ungefähr 22 Mark plus 100% Lohnnebenkosten.
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![Arbeiter](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/arbeiter.jpg) |
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![Alte Schubkarren](/file/21499/OP2_97.BIN/cd-rom/osurfen/frontal/schubk~1.jpg) |
Bau-Eldorado Berlin, ausgerechnet in Boomtown machte im letzten Jahr jeder fünfte Baubetrieb pleite. Die Aufträge gehen an die Billigkonkurrenz, da will man wenigstens am Bonner Geldsegen teilhaben, Aufträge erhalten aus den Milliardeninvestitionen für den Umzug. Doch der Bund, so der Vorwurf der Branche handle wie jeder Bauherr, den Zuschlag kriegt der Billigste.
Klaus Töpfer CDU, Bundesbauminister
Also zunächst mal sicherlich richtig, daß wir sehr genau auf Kosten achten müssen. Wir gehen mit Steuergeldern um, und da ist das die allererste Priorität. Aber es ist genauso richtig, daß der Bund in der Vergangenheit und jetzt nun sicher auch in Zukunft sich seiner Verantwortung bewußt ist, bei der Bauvergabe auch den Ansprüchen von mittelständigen, kleinen Unternehmen gerecht zu werden. Und wir haben das hier in Berlin gemacht.
Wolf Burkhard Wenkel, Fachgemeinschaft Bau
Für diese mittelständige Bauwirtschaft wird bei der Durchführung der Großbauten in Berlin: Reichstag, Dorotheenblöcke nichts getan. Von unseren 1500 Mitgliedern die wir in Berlin und Brandenburg haben, ist auf diesen Großbaustellen keine einzige Firma tätig. Das ist ein Skandal.
Das Dilemma ist groß, der Kostendruck fördert eben das Geschäft mit den Billiglohnarbeitern. Auch bei dieser Razzia werden 20 Bauarbeiter vorläufig festgenommen, 10 von ihnen sind illegal hier. Zudem 15 Verstöße gegen den Mindestlohn, so die heutige Bilanz der Fahnder. Doch Kontrollen allein reichen nicht, soll das Gesetz kein Papiertiger bleiben.
Klaus Pankau, IG Bauen-Agrar-Umwelt
Es wird zur Verantwortung gezogen, aber immer die Auswärtige Firma, also der Subunternehmer. Wir sind der Meinung, man kann das ganze Problem nur dann regeln, wenn man den Hauptauftragnehmer, der ja immer hier in Deutschland sitzt und das ist meist ein Bauindustrieunternehmen, wenn man dieses Unternehmen richtig hart in die Haftung nimmt und sagt: Wenn ihr duldet oder auch nur durch Fahrlässigkeit in mangelnden Kontrollen auf Euren Baustellen, Lohndumping zulaßt, dann müßt, müssen Sie zur Ordnungswidrigkeit herangezogen werden und bestraft werden.
Bußgelder bis zu 30.000 Mark drohen jetzt. Zustellbar an den Verantwortlichen der ertappten Firma, wenn der seinen Sitz in Deutschland hat. Denn bei der Durchsetzbarkeit von Bußgeldern stößt man auch im vereinten Europa schnell auf Grenzen.
Klaus-Peter Fleck, Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg
Die Vollstreckbarkeit im Ausland durchzusetzen, ist bisher nur in Österreich möglich: Durch entsprechende Abkommen.
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