LINDENSTRASSE PRIVAT

GEORG UECKER (G.U.) IM GESPRÄCH MIT MORITZ A. SACHS (M.S.)

FOLGE 4





Wichtige Anmerkung: Die Interview-Teile stammen aus den Originalfolgen von "LindenstraßePRIVAT". Die Texte wurden wegen der besseren Lesbarkeit an manchen Stellen geringfügig verändert - ohne den Inhalt zu verfälschen. Außerdem haben wir versucht, den Live-Interview-Charakter auch sprachlich zu erhalten. Übrigens: Alle Interview-Teile, die sich nur auf vorhergehende oder nachfolgende Einspielfilme beziehen, wurden weggelassen

G.U.: Moritz, in Deinen Jugendjahren hattest Du während Deiner Pubertät nicht nur die Schule, sondern auch Dreharbeiten, Öffentlichkeitsarbeit, praktischen Schauspielunterricht etc.. Bist Du eigentlich ein fleißiger Mensch?

M.S.: Nein, absolut nicht. Ich bin faul wie ein Stück Dreck. Ich habe so viele Sachen verplant, weil ich keinen Bock mehr drauf hatte: Ich habe Instrumentespielen aufgegeben, was ich bereue inwischen, ich habe die Schule verplant und wiederhole deswegen jetzt die dreizehnte Klasse.

G.U.: Das liegt aber nicht an den Dreharbeiten?

M.S.: Nein, das liegt nicht an den Dreharbeiten, das ist einfach nur reine Faulheit gewesen.

G.U.: Was unterscheidet Dich eigentlich am meisten von Deiner Rollenfigur? Du hast irgendwann mal im Interview gesagt, Du würdest vielleicht sogar zu den LINDENSTRASSE-Schauspielern gehören, die innerlich am weitesten entfernt sind von ihrer Rolle.

M.S.: Ja - nur: Ich bin genauso alt, ich lebe in derselben Zeit, ich lebe im selben Land. Der Unterschied ist eher, daß der "Klaus" sich mehr nach den Leuten richtet, was sie ihm sagen, während ich mich eigentlich mit spätestens acht/neun Jahren mehr davon abgewandt habe, was die Leute mir gesagt haben.

G.U.: Was heißt das: "nach den Leuten richten"?

M.S.: Dieses Mitläufertum, das "Klaus" an den Tag legt. Ob das nun ist, daß "Olli" ihm sagt: "Du mußt rechtskadikal werden, weil es gut ist." und "Julia" sagt ihm daraufhin: "Du mußt Tierschützer sein, weil es gut ist." und er macht das einfach.

G.U.: Aber ist es für Dich schwierig, jemanden zu spielen, den Du eigentlich nicht magst?

M.S.: Nein, ich denke, einen anderen Charakter darzustellen, ist meine Aufgabe. Ich denke auch, daß Martin Rickelt "Onkel Franz" auch nicht mögen wird, aber er spielt ihn mit Leidenschaft und mit Liebe, wie man sieht.

G.U.: Du hast das auch schon mal angedeutet, daß die Figur von Dir am weitesten entfernt war, als sie Neonanzi wurde.

M.S.: Ja, als ich gleichzeitig eher in die linke Szene gerutscht bin - auf ähnlichen Wegen, aber mehr aus eigenem Interesse.

G.U.: Das war ja eine große Verantwortung, das zu spielen. Hat man Dich vorher gefragt, ob Du das denn spielen wolltest?

M.S.: Ja, zwei Jahre vorher sogar schon. Das wurde mit meinen Eltern abgesprochen, ich habe mit meinen Freunden darüber gesprochen, und auch noch mal mit Hans (W.Geißendörfer) darüber gesprochen.

G.U.: Hattest Du keine Angst davor, daß Du nicht vielleicht eine Indentifikation beim Spielen entwickelst?

M.S.: Nein, davor hatte ich keine Angst, dazu habe ich so dermaßen kein Verhältnis, das konnte mir nun wirklich nicht passieren.

G.U.: Wie waren dann die Reaktionen in der Öffendlichkeit? Das war ja zu einer Zeit, wo Rechtsradikalismus wirklich das Thema in Deutschland war?

M.S.: Das günstige für mich war, daß "Klaus" immer das "liebe Söhnchen" war, der Leidtragende also. "Olli" war der Böse, und "Klaus" war auch ein Opfer, wie das am Schluß dann auch gezeigt wurde: Man hat ihm einen Arm gebrochen, weil er nicht mitgemacht hat. Er war trotzdem noch der Positive, das ist geblieben. Man hat mich auf der Straße im allgemeinen nicht angegriffen, sondern bemitleidet. Ich bin zwar auch mal angegriffen worden, von etwas eingeschränkteren Menschen offensichtlich, die meinten, weil ich das darstelle, bin ich ein Nazi, und die wollten mich deswegen verprügeln. Das ist ja sehr "ehrenvoll", aber mit Gewalt erreicht man auch nichts, und ich habe mich sehr darüber geärgert.

G.U.: War das nicht eine Gefahr, die Du vorher wußtest, daß die Leute das äeins zu eins" sehen und Dich angreifen würden?

M.S.: Doch ja, wir wußten das schon, auch aus Gesprächen, die ich mit Irene Fischer hatte, mit der neuen Frau von meinem Filmvater. Sie ist auf der Straße angespuckt worden usw., das ist nicht zu fassen. Aber ich wußte sehr wohl, daß das auf mich zukommen könnte.

G.U.: Ich nehme an, Du hast auch Reaktionen bekommen, von Leuten, die gesagt haben: "Toll, daß das gespielt wird!".

M.S.: Auch das.

G.U.: Wie müssen leider schon wieder aufhören und sprechen uns nächste Woche ein letztes Mal. Fortsetzung





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