home
***
CD-ROM
|
disk
|
FTP
|
other
***
search
/
Chaos Computer Club 1997 February
/
cccd_beta_feb_97.iso
/
chaos
/
habi1
/
txt
/
hb1_38.txt
< prev
next >
Wrap
Text File
|
1997-02-28
|
6KB
|
148 lines
DIE ZEIT - Nr. 49 - 30. November l9B4
Bildschirmtext
Ein Schlag
gegen das System
Ein Computerclub deckt Sicherh ~tslocken
im Bt-Programm der Post auf / Von Themas von Randew
Wer sich in den kommenden zwei bis drei
Jahren dem Btx-System anschließt, gehört
wegen Dumroheit bestraft." Dieses ver-
nichtende Urteil über den neuen Senice der Bun-
despost, Bildschirmtext, war vorige Woche auf
der achten Datenschutzfacheagung in Köln zu hö-
ren - aus berufenem Munde. Gefällt hatte es der
Vorsitzende der veranstalteadert Gesellschaft für
den Datenschutz (GDD), Professor Reinhard
Vossbein, nachdem ihm die Ausfiihn~ngen eines
Computerfreaks zu Ohren gekommen waren. Mit
Witz und lockeren Sprüchen hatte Herwart
("Wau«) Holland vom Hamburger "Chaos Com-
puter Club" (CCC) geschildert, wie es seinem
23iähri~en Clubfreund Steffen Wernery gelungen
war, den B~ldsch~rrn-D'ense aufs Kreuz zu legen.
Eher tippe einer sechs Richtige im Lotto, als
daß er sich illegal das Paßwort eines Btx-Teilneh-
mers verschaffen könne, hatten Bildschirmtext-Ex-
perten der Post geprahlt. Just das aber gelang den
E lamburger Computerchaoten auf Anhieb. Ein
Fehler, zünftig bug (engl. Käfer) genannt, im
Computerprogramm des Systems machte es den
Hackern kinderleicht. Daß etwas mit dem Pro-
gramm nicht stimmte, war schon vielen Bild-
schirrntextanLietern aufgefallen.
Anbieter gestalten schirmfüllende Bilder mit In-
forrnationen darüber, was sie zu offerieren haben,
Waren aus dem Versandkatalog, Urlaubsreisen,
mit Kontoauszügen für Bankkunden oder schlich-
ten Mieteilungen an Freunde. Diese "Seiten. kön-
nen dann von - hierzu berechtigten - Bex-Teilneh-
mern abgerufen und die darin enthaltenen Fragen
etwa nach einer Flugbuchund, oder Geldüberwei-
sung, auf der Tastatur am heimischen Bex-Zusatz-
gerät beantwortet werden.
Doch der Platz auf einem FernsehLildschirrn ist
beschränkt; die Bex-Seite kann nur 1626 Zeichen
fassen. IJnd damit der Gestalter beim Editieren
weiß, wieviel Zeichen er jeweils noch in seinem
Werk unterbringen kann, wird ihm diese Zahl am
unteren Bildrand angegeben. Bis vor kurzem
stimmte aber diese Angabe nicht- Programmierer
sind notorisch schlechte Kopfrechner. Die Seite
war schon voll, ehe die Zahl der verfügbaren Zei-
chen Null erreicht hatte. Aus diesem Grund erleb-
ten viele Anbieter, was eigentlich nicht passieren
darf, einen chaotischen Zeichenüberlauf.
Plötzlich geistern auf der Seite allerlei Wörter,
Zahlen oder unverständliche Buchstabenfolgen.
Der Grund für diesen Zeichensalze: Der Schöpfer
des Btx-Programrns hat offenbar vergessen, für die
"Müllabfuhr" zu sorgen, nämlich dafür, daß über-
schüssiger Text vom Programm ignoriert oder ir-
gendwie beiseite geschafft wird. Darum schieben
die zuviel getippten Zeichen Teile aus dem Pro-
grammschreiber ins Bild; und die sind, wie die
Hamburger Hacker herausfanden, manchmal ver-
rarerisch. Sie können aufgerechnet das Geheimnis
preisgeben, daß ein Btx- le~lnehrner strengstens zu
hüten hat, seine Kennung. Dieses Paßwort ist der
Schlüssel für den Zugang zum System. Damit
kann zwar noch nnemand ein *emdes Banlckonro
plündern, aber doch eine Menge Unfug stiften.
Waren körnen bestellt, Urlaubsreisen gebucht,
Zeitschriften abonniert werden. Für den dabei
entstandenen Schaden haftet laut Vertrag der
rechtmäßige Besitzer des Sicherheitscodes.
Steffen Wernery und seine Genossen brachten -
der Club ist eingetragener Anbieter - Btx-Seiten
in Massen zum ÜberLauf und studierten dann die
Geisterzeichen auf dem Bildschirm. Darunter ent-
deckten sie das Paßwort "usd 70000« der Ham-
burger Sparkasse (Haspa). Damit ließ sich veran-
stalten, was die Chaoten lange geplant hatten, eine
eindrucksvolle Demonstration der Unzulänelich-
keit des Bildschirmtextes. Sie richteten eine n~nen-
denseite« ein. Anbieter dürfen für den Abruf ''hrer
Seiten eine Art Schutzgebühr oder Spende verlan-
gen, die jedoch nicht höher als 9,99 Mark sein
darf. Wer eine solche Seite aufruft, dessen Konto
wird automatisch mit der Gebühr belastee. Mit
dem Sparkassen-PaBwort riefen die Hacker jetzt
ihre eigene kosrenpflichtige Seite ab - und 9,~7
Mark waren verdient.
Dies sollte möglichst oft geschehen, weshalb ein
Heimcomputer daftir programmiere wurde, die
Seite laufend automatisch aukurufen. Er tat es
brav, und während sich die Cl~bmitgliede- ande-
ren Tätigkeiten widmeten, klingelte Ale drei Se-
kunden die Kasse. Von Sonnabend 18 Uhr bis
Sonntag 13 Uhr kamen inselbesame 135 000 Mark
auf das ClubLonro. Die freilich überwiesen sie der
Haspa zurück.
Einen f7ack haben amerikanische Studenten, lan-
ge schon bevor Computer populär wurden, die
Art von Streich getauR, mit der Technik ausge-
trickst wird. Legende ist der back von Cuppein
Crunch geworden, einem Studenten, der seinen
Namen einer Cornflakes-Sorte entlehnt haue. Den
Packungen dieser Frühstückskrümel lag eine klei-
ne Plastikpfeife bei, die zufällig egale auf 2600
Hertz gestimmt war. Im amerikanischen Fem-
sprechsystem, das harte Cuprain Crunch herausge-
n~ftelt, ließ diese Frequenz, wenn sie ins Mikro-
phon des Telephonhörers gepfiffen1 wurde, den
ebuhrenzahler abfallen.
I}er Trick mit den kostenlosen Ferngesprächen
sprach sich schnell herum; er machte die Cornfla-
kes-Firma reich und die Telephongesellschafe arrn.
Jedenfalls fand sie sich in argen Schwierigkeiten.
Es galt den schwer urmittelbaren Verlust gegen ei-
C~