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Chaos Computer Club 1997 February
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1997-02-28
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9KB
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254 lines
heilst die Devise und mit normalem
Sprachdeutsch kommt man hier kaum
mehr klar. Bei uns fangt die InteR~gen:
schon vor der Tastatur an.) Alle Maschi-
nen volle Kraft voraus. Nachts wird man
weniger gestört und die Telefoneinheiten
geben mehr her fürs Geld. Ich gehe
schlafen.
Ein neuer Tag, aber die Szene scheint
schon altvertraut. In der vergangenen
Nacht hat man mit Hilfe von zwei Ame-
rikanern eine BTX Konferenz mit dem
Greens Network in New York abgehai-
ten. Alles klappte? nur mit der Verbin-
dung der Deutschen Bundespost ist man
mehr als unzufrieden. Zitat: Wär
Sch warz-Schilling Zier gewesen, wir hat-
ten ihn geteert und gefedert. Der Kopier-
raum ist inzwischen so überlaufen, daß
man ihn kurzerhand absperrt. Only five
at a time. 15 000 Blatt Papier waren ge-
spendet worden ─ wo sind sie geblie-
ben?
Der Türsteher mit dem Piepser hat in-
zwischen zwar keine Schußwaffen, so
aber doch Sparys bei potentiellen Sabo-
teuren gefunden. Paranoia? Immerhin
kann man heute in der BILD lesen, ge-
stern seien 1000 Hacker dagewesen.
Mehr als die Hälfte hatte wohl Tarnkap-
pen auf. Warum haben die Kollegen
vom Revolverblatt so übertrieben. Wer
hat der dpa die Meldung übermittelt, die
Chaos Chaoten seien über Nacht in eine
Frankfurter Elank eingestiegen und hät-
ten sie elektronisch um ein paar Hun-
derttausende erleichtert? Gerüchte
schwirren, wie es sich für eine zünftige
Verschwörerversammlung gehört. In-
zwischen ist reichlich Presse anwesend
und die will wissen "Wann kriegen wir
was für unser Geld, Wau?" Und Wau
erzählt . . .
Das Telefonsystem ist das Beste. 150
nationale Anstalten, aber alles ist welt-
weit korrekt genormt ... Verkabe/ung
= Kontrolle. Keine Schwarzseher mehr,
im Gegensatz zum Satelliten. Satelliten
sind auch billiger. Einem Bekannten ist
es schon geglückt mit einem mit Silber-
folie ausgeschlagenen Regenschirm auf
Empfang zu gehen und ein durchaus re-
spektables Bild zu erzielen.... Die Bi-
bliothek der Allerpostdirektion, da gibt
es olle Informationen . . . Kostenlos tefe-
fonieren ? Black Box . . . ein hochohmi-
ges Herangehen ans Telefon ... Min-
geln kostet kein Geld . . . Liste der pas-
senden aus~indisc}zen A!ünzen, die in
deutsche Schlitze passen .. Die Post
spart zu unseren Lasten: die Auskunft
ist immer besetzt. Einfach eine Vorwahl
Unwahlen, dann hat man einen besseren
Platz auf der Warteliste . . . Ein Zugriff
auf die Telefonnetze der Bundesbahn,
der Polizei, der Besatzer? Setter Schi wer
Hier gibt es keine Kochbuchrezepte
sondern nur Strukturen . . viele Postler
basteln sich private Schlupflöcher. Was
wir brauchen sind die Berichte der amtli-
chen Schlupflochsucher ... Gabelwah-
ler Stack leck tack) können sich kosfen-
los selbst anrufen, wenn sie zwei An-
schlüsse haben. S'e wählen sich über
London─New York─S. F.─Tokio
─DeI7h─Moskau selber an. ,lIai/o?
Bin ich esselber?' . . . Wer telefoniert da
aus öffentlichen Zellen mit Hilfe eines
Gasanzünders, der den richtigen Funken
rüberbringt, der wiederum durch elektri-
schen Impuls gekitzelt deinen Konto-
stand zum Wachsen bringt? Wie vom
Blitz getroffen. Man weiß halt vorher
nicht unbedingt, ob nun die Maschine
f AB |
,'
kaputt geht . . . wenn Du daheim nicht
angemeldete unmeldepflichtige Geräte
an deine Telefonanlage anhängst, so
kann die Post das eventuell aufspüren.
Sie Fiat ein elektronisches System {E WS),
das das kann . . . gegen A&horen gibt es
keinen Schutz .. Echte Lauscher wis-
sen, welche Teilung in Relaiskasten, die
an allen Strafenecken Sieteen, für die
Pechnigrer immerfrei ist. Kasten aufma-
chen, reinzapfen und schon hat dein Ge-
spracf? nic/?t nur Priorität, sondern ko-
stet auch' nichts. Man achte aufdie letzte
römische Zah/ .. Wau's Partner Stef-
fen ist inzwischen auch im Informations-
rennen. Die beiden werden permanent
angewählt und rücksichtslos saugen sich
TV wie Hacker Infos aus ihnen heraus.
Welche Droge wird denn hier genom-
men? Eindeutig: Kaffee, das gute alte
braune Pulver. In der Tat sehe ich wäh-
rend der ganzen Tagung keine Line, kei-
ne Pille, nix Dope. Und Alkohol und
Monitor vertragen sich allemal nicht so
gut. Steffen mag ein Genie an den Ta-
sten sein, aber als er kurz ein Baby hal-
ten soll (original menschlich), da will er
passen "Das hab ich noch nie
gemachte". Das ist ein Kapitel für sich:
Hacken und Privatleben.
Computer versprechen einen Quell
des Utopischen. Aber alles was sie
erzeugen ist eine Flut von Informatio-
nen. MYTHINFORMATION (Mi-
schung aus Mißinformation und My-
thos): ist eine fast religiöse Uberzeu-
gung, daß ein weit verzweigtes Compu-
ter- und Informationssystem im Ver-
bund mit elektronischer Datenverarbei-
tung etc. automatisch eine bessere Welt
für die Menschheit bringe. Dem ist wohl
nicht so. Erzählt ein Computerfreak:
Seit 5 Jahren arbeite ich mit Computern,
seit zwei Jahren besitze ich einen. Meine
mentalen Gewohnheiten haben sich ver-
änderI. Ich bemerke drei dominierende
Veränderungen: Ich arbeite schneller,
aber kohe das Gefühl keine Kontrolle
über meine Zeit zu haber`. Ich spiele mit
neuen Typen kreativer Maschinen, habe
aber keine Ahnung wie icl' sie beurteilen
soll. Ich arbeite effektiver und spare
Zeit, verplemper sie aber wieder beim
Durchforsten von unf~ezwingharen Ber-
gen von Druckinformationen über Com-
puter und die Computerindustrie. " Und
wie ist das mit den sozialen Bezügen?
Warum sind so viele Computerfreaks
Jungegesellen, bzw. werden welche?
Computer rein, Frau raus? Ein Parade-
beispiel schildert Art Kleiner, Mitarbei-
ter der ,Whole Earth Review'. Seine
Freundin sah keinen besseren Weg
mehr, als ihm eine Botschaft von einem
Terminal einer Freundin auf seinen l\lo-
nitor zu plazieren. Sie sorgte sich um
ihn, da er nur noch wie besessen vor sei-
nem Maschinchen hockte. Ein paar Wo-
chen später brach die Beziehung ausein-
ander.
Dana aus Amerika. "Ich repräsentiere
eine kleine internationale Delegarron.
Speziell: das norJamer~kan~scf~e Grünen
Netzwerk. " Er wird von Zwischenrufern
unterbrochen, die sich über die TV Ka-
meras aufregen. Nur ruhig Blut Jungs,
dies ist eine Pressekonferenz, auch wenn
es kaum den Anschein hat: die Halle ist
gefüllt und die Presse traut sich nicht
Fragen zu stellen. Also weiter, Dana er-
zäh]t von der Zeitschrift OVER-
TI1ROW, die er herausgibt. Ein anar-
chistisches Yippieblatt würde ich sagen
(jaja, auch ich bekomme es regelmäßig
zugeschickt). Dana erzählt von den ver-
schiedenen ,grünen' Strömungen in
Amerika. Und von der Post, die dort im-
mer gerade die wichtigen Briefe zu ver-
lieren scheint. Gerade deshalb ist ein
Medium von Nöten, mit dem man sich
über große Entfernungen direkt unter-
halten kann. "Transmission of Informa-
t~on for the alternadv press" und das am
liebsten weltweit. Computer Konferen-
zen sind die Lösung, sagt Dana. "Hat die
Presse Fragen?" Nur ein Zehnjähriger
meldet sich schüchtern. Wau unterstützt
ihn, denn schließlich sei er von einer
Schülerzeitschrift und damit ,Presse'.
Naja, wenn die großen Brüder keine
Fragen haben. "Was machen sie derenfür
Akttorten?" will er wissen. "Wir versu-
che'7 die Hacker mit politischen Leuten
zusammen Z'f bringen. Außerdem unter-
saitzen wir Aktzonen wie ,Stop the city'.
In London z. B. hat man große Teile der
Stadt einfach durch passine Aktionen
lahmgelegt.'` - "Man sollte den Hackern
Orden verleihen, denn sie schöpfen doch
die Möglichkeltert einer neuen Technolo-
gie voll aus und eröffnen sie dadurch für
andere." Dana erzählt noch etwas vom
amerikanischen SDS, daß Terroristen
halt Banken im Vergleich mit Hackern
sehr gewaltsam geknackt haben, daß das
Establishment doch immer Führer von
Gegenbewegungen aufkauft, man aber
keine ganze Bewegung aufkaufen kann
etc. etc. Ist's die schlechte Luft, das
Uberangebot von Informationen, meine
Müdigkeit oder redet er langweilig? Ir-
gendwie drängt es mich zum Kaffee.
In der Cafeteria sitzt Wau mit einem
Journalisten der nun wissen will, was für
Gefahren auf den normalen Commodo-
re Jüngling warten, der der Maschine
verfällt, sei es nun beim Hacken oder bei
Videospielen. Er schlürft seinen Kaffee
während er erschreckt anhören muß,
daß es sich da um Drogen handelt. "Es
wirkt wie Heroin!", schallte vom Neben-
he_
Chefredakteur Pieper auf der Ars E/ectronica in Linz Foto- Richard