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1997-02-28
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8KB
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275 lines
Computer fiirNicara~a
Kuckuckseier ?
Computer kommen von
schlechten Eltern─sie
könnten uns aber langfristig
gesehen von allen nicht-
kreativen und nicht-intuiti-
ven Arbeiten befreien. Oder
auch nur von jenem Teil,
von welchem wir befreit sein
wollen.
Von Martin Flohiler, No! A ders und
Ernst Stollenwerkl SMUV-fngeni-
eure und Mitglieder der Gruppe
« Computerfair -Nikaragua>>
[n einer der letzten WoZen hat sich
lan Morgentbaier `<katisch?> mit
der Nicaragua-Solidaritätsarbeit im
llgemeinen und der Arbeitsgruppe
Computer für Nicaragua>> im be-
,onderen Auseinandergesetz,
sprich, sie in der Laft zerrissen.
Zu jenem zu Eistundegen Ge-
spräch, Luvelches Grundlage des Arti-
kels sein sollte, erschien Jan mit fest-
gefügten Ansichten ─ sein gutes
Recht natürlich─und einem Ton-
bandgerät. Letzteres wäre nicht nö-
tig gewesen, hat er doch aus diesem
Gespräch schliesslich nur einige ef-
fektvolle Reizwörter und aus dem
Zusa,T Wenhaß gerissene Zitatfet-
zen von uns verwendet.
Das gibt er bei der Durchsicht des
Artikels auch freimütig zu─bei der
Niederschrift habe er festgestellt,
dass er den zur Verfügung stehen-
den Platz voll für seine [VIeinung be-
nötige. Dafür werde er das WoZ-
Diskussionssianet dazu setzen, wir
könnten also Unsereargumentation
als D~skussior~sbeitrag einbringen.
Aber bitte bis in iO Tagen, nachher
ist Sommerpause.
Dazu nur folgendes: Im Gegen-
satz zu gewissen profilgeilen Nach-
wuchsjournalisten fällt für uns BrÜt-
chen-Yerdienen und Politik-\la-
chen nicht zusammen. Die Ingeni-
eurlonen unserer Gruppe verwen-
den ihre Freizeit dazu, um mit dem
Fachwissen aus ihren systembedingt
fragwürdigen Brötchen-J~bs zur
politischen Diskussion und Aktion
beizutragen. So geschehen zu
AKW's, Datenschutze Videotex,
K1S, Rationalisierung, Bildschirm-
arbeit, Gentechnologie u.a.m.
Auch wir haben ab und zu eine
verzerrte Sicht der DirEge, wir sind
kritisierdar. Das ist gut so. Es gibt
Kritik und Antik─neben Jans Stil
auch noch f'~ndiertere, struktuner-
iere und vor allem solidarischere,
mehr am Weiterkommen der Dis-
kussion interessierte. Wir sind da je-
doch nicht hc~l;el.
, ~
t62
r_
Wir erwarten aber von der WoZ
in Zukunft, dass sie auch unsere An-
sicht wiedergibt, von sich aus, oder
aber ihre Exklusiv-Weisheiten zum
besten gibt, ohne uns unsere Zeit flir
ihre Scheinlegitimation zu stehlen.
Das als «Chropflärete?>, um den
Weg zur Lernhaltlichen Diskussion je
ner Punkte von Jans Kritik freizule-
gen, die auch uns selbst immer wie-
der zu denken geben oder die von
breiteren Kreisen geteilt werden.
serdem machten wir auch von jenen
politischen Absichten des Projektes
<`Computer für Nicaragua?, spre-
chen, die von Jan schlicht unter-
schlagen wurden.
Computer = Herrschafts-
technologie - böse ?
Diese Gleichung zieht sich quer
durch Jans Artikel, wenn auch nicht
sehr differenziert begrtlndet. Die
Argumentation ist uns als Techni-
kerlnnen in linkem sozialem Um-
feld natürlich geläufig, sie lässt sich
fast auf beliebige andere Technolo-
gien, auch ältere, anwenden.
Sie hat einiges für sich: Computer
kommen von schlechten Eitern─
ihre Technologie stammt sehr direkt
aus der lJS-Waffenforschung, wur-
de und wird finanziell vom Verteidi-
BUngsministerium Bepusht. Com-
puter werden von den grössten Mul-
tis der Welt hochautomatisiert pro-
duziert, ihre kommerzielle Anwen-
dung in einer Klassengesellschaft
frisst Arbeitsplätze in Massen, er-
möglicht soziale Kontrolle in einem
Umfang, dass sich das (alte) Pro-
blem qualitativ neu stellt und begeg-
net uns als normierende, neue
Zwänge setzende, un-sinnliche Ma-
schinerie. Man nahm sich nicht ein-
mal die Muhe, den gewöhnlichen
Sterblichen das Monstrum wirklich
zu erklären. Was den lIerrschenden
neuerdings ein wenig zu schaffen
macht, ist das dumpfe Unbehagen
des Volkes, die <<Al~zeptanzverwe~-
gerung». Ihr wird mit Image-Wer-
bung und Jugendverführung begeg-
net, den Rest erledigt der sanfte
Zwang der Arbeitslosenquote.
Die gängige Erwiderung darauf:
Computer (oder `<die Wissen-
schaft>>, das Messer, das Geld...)
sind an sich wertfrei, die Art der An-
wendung bestimmt, ob sie uns nüt-
zen oder schaden. Ihr kennt das ja,
as Messer in der Hand des Chirur-
gen oder des Mörders usw.... Auf
Computer bezogen: Im Kapitalis-
mus sind sie natürlich Scheisse, weil
sie von den Herrschenden aus-
schliesslich zur Profitmaximierung
und Systemerhaltung eingesetzt
werden. Allfällige für alle Men-
schen positive Nebeneffekte sind
rein zufällig. Computer bergen aber
«an sich>> gewaltige Möglichkeiten
_ sie könnten uns langfristig gese-
hen schlicht vor allen nicht-kreati-
ven und nicht-intuitiven Arbeiten
befreien. Oder auch nur von jenem
Teil, von welchem wir befreit sein
wollen. In anderen Utopien ermög-
lichen Computer den optimalen
Einsatz von Energie und Rohstof-
fen. In wieder anderen sozialen
Strukturen ermöglicht ein compu-
tergestütztes Informations-Aus-
tausch-System jedem Menschen
den Zugang zum gesamten inteilek-
tuellen Kulturgut der Menschheit,
von jeder Berghütte aus (so geriet
übrigens das Stichwort aBolo'Bo-
lo» aus unserem Gespräch in Jans
Pam flet). Und ganz bescheiden:
Seit's Computer gibt, nipp ich nicht
mehr aus, wenn meine Kolleglunen
diesen Artikel am Tag v er der Abga-
be nochmals gründlich kritisieren─
kostet mich ein Lächeln, die Ände-
rungen reinzubringen.
Beide Argumentationen sind
halbrichtig,verkltrzt. Wir leben im
Kapitalismus, das kÖnnen wir nicht
wegabstrahieren, Die Nicas sind
mindestens vom Kapitalismus um-
zingelt, wieweit sie ihn selbst noch
haben, da läuft ja die Diskussion.
Die heute greifbaren Computer-
systeme und vor allem die eingesetz-
ten Programme sind gezeichnet von
ihrer Herkunft. Sie sind intern hier-
archisch strukturiert, haben eine
«Zentraleinhell» und Perserie»,
_ sind im Umgang stur und pedan-
tisch wie ihre Väter und strafen bei
Fehlern unerbittlich. Sie sind un-
durchsichtig und untereinander un-
verträglich wie die (und wegen der)
kapitalistischen Konkurrenz.
Es sind neuere Entwicklungen im
Gang, die diese Kinderkrankheiten
dort, wo sie sogar den profitablen
Einsatz behindern, nach und nach
beheben werden. Trotzdem: Wenn
die Computer einst uns gehören, ha-
ben wir immer noch viel zu tun.
Computer sind nicht wertfrei. Aber
viel flexibler als zum Beispiel
AKW's, mit welchen wir wohl wirk-
lich nichts mehranfangen können
werden.
Selbst wenn Computer einfach
<«böse>> wären, müssen die Nicas
jetzt, wir vielleicht später mal,
schauen, was sie mit dieser Techno-
log~e anfangen wollen. Es gibt sie
nun mal (und sie ist beileibe nicht die
einzige historische Hypothek, mit
der sie zurechtkommen müssen)
und vor allem gibt's keine andere.
Auch wenn Nicaragua den Aussen-
handel heute staatlich kontrolliert
kann es sich keinen beliebig grossen
Produktivitats-Rückstand leisten.
Sonst muss es immer miserablere
Tauschbedingungen auf dem Welt-
markt in Kauf nehmen. Und um an
diesem Teufelskreis teilzuhaben
braucht es keine Revolution.
Um auch mal ein wenig polemisch
zu werden (zu Jans triviad-k~berne-
tischem Geschwafel von Soll- und
Ist-Zustand und so): Nicaragua will
einen lst-Zustand (Mangel an allen