Schrot & Korn 2/97

Dinkelspelz
Sanftes Ruhekissen


Ein Bett im Kornfeld hat schon so manchem sehnsuchtsvolle Töne entlockt. Von dem vollen Duft erntereifen Getreides träumen und dabei entspannt schlafen - das können Sie auch mitten im Winter. Denn aus der Kornhülle des Dinkels wird hochwertiges Füllmaterial für Kissen, Bettauflagen und Nackenrollen.

Der Schmerz sitzt bei den meisten im Nacken. Bundesdeutsche Ärzte wissen ein Lied davon zu singen: Kaum ein Patient, der nicht unter Rückenschmerzen oder gelegentlichen Verspannungen leidet. Auch immer mehr junge Menschen klagen bereits über eine verkrampfte Nackenmuskulatur - der Preis für Computerzeitalter und Informationsgesellschaft?

Ein Kissen soll Abhilfe schaffen, Verkrampfungen lösen und Schmerzen lindern. Ein Versprechen, das durchaus verlockend klingt. Das Geheimnis dieser Kissen und Bettwaren ist die Spreu des Dinkelkorns, mit der sie gefüllt sind. Der Dinkel, ein Abkömmling der Urweizenarten Einkorn und Emmer, hat im Unterschied zu anderem Getreide eine doppelte Hülle: den Deckspelz und den Vorspelz. Durch Dreschen sind sie nicht abzulösen. Ein gesonderter Schälvorgang, das sogenannte Gerben, ist erforderlich, um sie vom Korn zu trennen. Dabei werden die Spelze zwischen zwei Mühlsteinen auseinandergedrückt. Kein Wunder, daß "Spelz" zum Synonym für Dinkel geworden ist. Die Hülle ist sehr widerstandsfähig; sogar radioaktive Strahlen soll sie vom Korninneren abschirmen können. Der losgelöste Spelz behält diese Widerstandsfähigkeit und Formstabilität bei.

Hildegard von Bingen empfahl Dinkel

Mit dem zunehmenden Interesse an den Lehren der Hildegard von Bingen sind Dinkel und Dinkelprodukte wieder voll im Trend. Die große Mystikerin und Nonne des 11. und 12. Jahrhunderts war voll des Lobes für Dinkel: Er wirke nicht nur positiv auf den Körper, sondern mache auch "frohen Sinn und Freude im Gemüt des Menschen". In Anlehnung an die früher gebräuchlichen Haferstroh-Kissen wurde schließlich die Dinkelspreu als Füllmaterial für Bettwaren entdeckt. Der Naturheilkundler Dusan Damjanovic begann 1975 mit der Produktion von Dinkelspreu-Kissen für seine Krankengymnastik- und Massagepraxis im Schwarzwald. Er dürfte damit in Deutschland der erste große Hersteller solcher Kissen gewesen sein.

Im Gegensatz zu den weichen Federkissen, die sich beim Schlafen platt liegen, behält das Dinkelspelz-Kissen seine Form. Es stützt und entlastet die Halswirbelsäule. Es paßt sich dabei dennoch - im Gegensatz zu vorgefertigten Formkissen - dem Schläfer und seiner Haltung individuell an. Besonders wohltuend ist es, wenn das Kissen vor dem Zubettgehen auf 40 bis 50 Grad aufgeheizt wird. Die Spreu gibt die Wärme nach und nach ab und lockert damit Verspannungen. Da die Dinkelspelze viel Luft einschließen, sind die Kissen sehr atmungsaktiv. Dadurch kommt es nicht zu einem Feuchtigkeits- und Wärmestau wie bei Federkissen; man schwitzt weniger. Trotz der formstabilen Füllung werden die Kissen beim Liegen durchaus als weich empfunden. An das leise Rascheln im Ohr gewöhnt man sich schnell. Bei den Sitzsäcken von A&R in Bingen verhindert es noch nicht einmal ein Mittagsschläfchen.

Positiver Einfluß wissenschaftlich nicht erwiesen

Ungewöhnlich hoch ist beim Dinkelspelz der Gehalt an Kieselsäure; die Spreu enthält bis zu 90 Prozent. Die Mineralstoffe sollen angeblich durch die Haut dringen, die inneren Organe positiv beeinflussen und stärkend auf Bindegewebe und Abwehrkräfte wirken. Manche Hersteller raten daher, nach rund einem Jahr die Füllung und damit das Kieselsäure-Reservoir zu erneuern. Die Spelze selbst halten aber problemlos fünf Jahre. Die Firma IsoSpelz in Essenbach findet deshalb ein Auswechseln schon nach einem Jahr "übertrieben".

Wissenschaftlich erwiesen ist der heilende Effekt noch nicht. Im Demeter-Laden von Hans-Willi Planz aus Seibersbach im Hunsrück prangt daher auch ein entsprechender Hinweis über den Kissen und Matratzenauflagen mit Dinkelspelz-Füllungen. Der Staatsanwalt habe ihn dazu verpflichtet. Planz vermutet, daß Pharmafirmen dahinter stecken, die ums Geschäft bangen. Seine Kunden ließen sich jedenfalls von dem Schild nicht verunsichern und vertrauten auf ihre eigenen positiven Erfahrungen, erzählt der Biobauer und Naturwarenhändler. Ebenso umstritten wie die Wirkung der Kieselsäure dürfte der Einfluß von Dinkel-Bettauflagen auf die Erdstrahlung sein. Rutengänger hätten nachgewiesen - so erklärt ein Sprecher der Firma VUMA in Neuenburg -, daß "lebensnotwendige Strahlung durchgelassen, schädliche Strahlung jedoch reduziert und ausgefiltert" würde.


Dinkelspelzkissen
für Allergiker geeignet

Damit auch empfindliche Menschen und Allergiker den Kauf nicht bereuen, müssen die Hersteller besondere Sorgfalt auf die Reinigung der Spreu verwenden. Dabei wird sehr unterschiedlich vorgegangen. Viele Firmen hüten ihr Verfahren als Betriebsgeheimnis. Vergleiche lassen sich nur schwer anstellen. Zumeist werden auf mechanische Weise - zum Beispiel durch Blasen, Sieben und Absaugen - Stroh- und Staubpartikel sowie Pollen und Reste von Getreidekörnern entfernt. So wird Ungeziefer der Nährboden entzogen. Je gründlicher dabei der Bruchspelz beseitigt wurde, um so elastischer und langlebiger ist das Kissen.

Entscheidend ist, daß das Füllmaterial aus biologischem Anbau stammt. Kontrollen gewährleisten, daß keine chemischen Dünge- und Spritzmittel-Rückstände die Spelze verunreinigen. Es lohnt sich also, nach den Labels von Anbauverbänden wie Bioland, Demeter oder Naturland Ausschau zu halten. Die Produzenten verwenden zumeist Dinkel aus der Region, zum Teil sogar aus eigenem Anbau. Ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz, denn so werden energieaufwendige Transporte vermieden. Die Inletts sollten möglichst aus unbehandeltem Material genäht sein. Öko-Baumwolle scheint in diesem Bereich jedoch noch die Ausnahme zu sein.
Christiane Schmitt



Hinweis: Amaranth, Hirse oder Roggen im Kissen

Einige Hersteller experimentieren neben Dinkelspelz auch mit anderen Getreidearten als Füllmaterial. Die Firma VUMA bietet beispielsweise ein nach physiologischen Gesichtspunkten entwickeltes Amaranth-Kissen für die Augen an. Die schwarze Sorte des Inkagetreides habe einen angenehm kühlenden Effekt und wirke regenerierend auf die Augen; Kopfschmerzen und Verspannungen könnten sich lösen. Hirse-Kissen mit Tradition gibt es unter anderem vom Schlafspezialisten Tölle. Die Hirsekissen - zum Beispiel als Augenauflage - sorgen für Entspannung und beruhigen müde Augen. Dabei setzt Tölle auf die spezifischen Schwingungen und Austrahlungen der Hirseschalen, die ebenfalls reichlich Kieselsäure in sich haben. Roggenkissen kommen aus Canada. Sie dienen erwärmt als Hausmittelchen gegen Verspannungen und Muskelschmerzen, haben sich jedoch auch als natürliche Wärmflaschen bewährt.


Dinkelspelz und die Medizin:
Heilende Effekte

Dinkelspelz-Kissen werden mittlerweile auch im medizinischen Bereich verwendet. Schrot & Korn fragte den Sportmediziner und Orthopäden Erdmann Golf aus München nach seinen Erfahrungen.

Herr Dr. Golf, wann sind Sie auf Dinkelspelz gestoßen?

Dr. Erdmann Golf:
Ich habe die Dinkelspelz-Kissen erst 1995 kennengelernt und zwar auf der Messe des Bundes für Naturschutz in München, der "Bayern-Öko".

Was hat Sie dazu bewogen, es in Ihrer Praxis einzusetzen?

Golf: Ich habe das Kissen ausprobiert und gute Erfahrungen damit gemacht: Die Kissenform paßt sich dem Nacken- und Schulterbereich sehr gut an. Außerdem eignet es sich als Lagerungskissen bei Knie- und Fußbeschwerden.

Die persönlichen Erfahrungen haben mich dann dazu bewogen, die Kissen auch für meine Patienten zu verwenden. Für die Praxis hatte ich sowieso nach Alternativen zu Formkissen aus Schaumstoff Ausschau gehalten. Sie passen sich nicht an und schienen mir für die Nackenlagerung nicht sehr geeignet.

Wie reagieren Ihre Patienten auf Dinkelspreu-Kissen?

Golf: Positiv. Wir nehmen es zum Beispiel bei der Akupunktur als Lagerungsshilfe. Es läßt sich bequem anwenden und wirkt beruhigend auf die Patienten. Außerdem setzen wir die Dinkelspreu-Kissen bei der physikalischen Therapie ein; also bei Fango, Massagen oder Bestrahlungen, wenn die Patienten länger liegen müssen. Auch bei Arthrose sind die Kissen sehr angenehm als Stütze für empfindliche Gelenke.

Bei welchen Beschwerden können nach Ihrer Erfahrung Dinkelspelz-Bettwaren Schmerzen lindern oder sogar zur Genesung beitragen?

Golf: Dinkelspelz-Kissen entlasten die HWS.

Also die Halswirbelsäule?

Golf: Genau. Die Kissen sind deshalb besonders sinnvoll bei HWS-Syndrom, also Nacken-Schulter-Schmerzen, bei HWS bedingten Kopfschmerzen, bei degenerativen Veränderungen der HWS und bei Muskelhartspann im HWS-Schulter-Bereich. Außerdem wirken die Kissen allgemein entspannend und können auch bei Einschlafstörungen Abhilfe schaffen.

Gibt es Patienten, denen Sie von Dinkelspelz-Kissen abraten?

Golf: Ja. Die Kissen rascheln nämlich leise beim Drehen; sehr geräuschempfindliche Menschen können dieses Kissengeräusch als störend empfinden. Viele finden es aber eher anheimelnd.

Vertragen Allergiker die Kissen?

Golf: Ja, bislang ist mir zumindest noch keine gegenteilige Erfahrung bekannt.

Wie reagieren Medizinerkollegen, wenn Sie auf Ihre Erfahrungen mit Dinkelspelz verweisen?
Golf: Interessiert bis skeptisch. In der Schulmedizin sind solche Sachen nun mal nicht vorgesehen. Da gibt es zum Beispiel Stützbandagen für die Halswirbelsäule. Lagerungskissen sind vielen Kollegen nicht bekannt. Sie sind dann eher zurückhaltend - inbesondere, wenn so ein Produkt von der biologischen Seite kommt.

Besonders die Wirkung der im Dinkelspelz enthaltenen Kieselsäure ist umstritten. Halten Sie persönlich einen Einfluß - vom Kissen über die Haut auf die Organe - für möglich oder wahrscheinlich?

Golf: Eher nein. Ich kann aber nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Kieselsäure durchdringen kann oder nicht. Damit habe ich mich bislang ehrlich gesagt nicht beschäftigt.

Zum Abschluß eine persönliche Frage: Schlafen Sie zu Hause auf einem Dinkelspelz-Kissen?

Golf: Ja und zwar gut!

Vielen Dank für das Interview!
Die Fragen für Schrot & Korn stellte Christiane Schmitt.




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